Gedenktafel Richard Zuelzer

Es gibt in ganz Potsdam 267 Gedenktafeln, -steine und –stelen, die an historische Bauwerke, Ereignisse, Personen und Institutionen erinnern. Der größte Anteil derer stammt aus der Zeit von 1990 bis 2015, wobei einundzwanzig für Opfer des Nationalsozialismus, fünfzehn für die Opfer der Berliner Mauer, vierzehn für die Männer des 20. Juli 1944 und fünf für die Potsdamer „Gerechten unter den Völkern“ errichtet wurden. Die im Mai 1994 gegründete Gedenktafelkommission Potsdams ist für die Prüfung der Anträge auf Gedenktafeln zuständig. So soll eine Überflutung durch Gedenktafeln verhindert werden. Kriterien sind hierbei

a) das öffentliche Interesse,
b) die regionale, nationale oder gar internationale Bedeutung und
c) der ersichtliche Bezug zu Potsdam.

Das Geschichtsbewusstsein lebt durch diese wichtigen Erinnerungsstücke auf und wird gestärkt.

Seit dem 29. Oktober 1998 ist in der Potsdamer Friedrich-Ebert-Str. 37 eine Tafel zum Gedenken an den jüdischen Orthopäden Dr. med. Richard Zuelzer zu finden. Initiatoren dieser Ehrung waren seine Verwandten Barbara A. Stern und deren Sohn Walter. An diesem Ort, der damaligen Spandauer Straße 5, hatte Richard Zuelzer seit 1909 eine eigene, gut besuchte Praxis mit angeschlossenem Turnsaal. Bekannte Persönlichkeiten, z.B. der Preußenprinz Oscar, ließen sich hier behandeln. Doch auch Menschen, deren finanzielle Mittel begrenzt waren, erfuhren hier Hilfe, zum Teil sogar unentgeltlich.

Foto: Katharina Pregla

1870 wurde Richard Zuelzer in Berlin als Sohn eines Professors geboren und studierte dort Medizin. Am Ersten Weltkrieg nahm er als Stabsarzt im Rang eines Majors teil und erhielt für seine Verdienste das Eiserne Kreuz zweiter Klasse. 1915 richtete er eine Prothesenwerkstatt im Garnisons-Lazarett Neuruppin ein. Der Erfolg und die Progressivität seiner Erfindung führten dazu, dass Richard Zuelzer nach Ende des Krieges sogar die Chance erhielt, seine Apparaturen auszustellen. Des Weiteren unterstützte er den technischen Fortschritt, indem er 1931 als einer der Ersten Röntgenstrahlen für medizinische Zwecke einsetzte. Die aggressive Wirkung der Radioaktivität war noch nicht allgemein bekannt, hatte für den Orthopäden aber schwere Folgen: Seine Selbstversuche führten dazu, dass ihm bald sämtliche Finger der linken Hand und 1950 der gesamte linke Arm amputiert werden mussten.

Obwohl die jüdische Familie Zuelzer seit 1812 die deutsche Staatsbürgerschaft besaß, Richard Zuelzer selbst zum Protestantismus konvertiert war und seine beiden Kinder Wilhelm und Erna getauft waren, musste die Familie nach der Machtübernahme durch die NSDAP zunehmend rassistische Demütigungen erdulden. Nach dem Erlass der Nürnberger Rassengesetze 1935 als jüdisch eingestuft, wurde sie 1938 zum Verkauf ihres Hauses weit unter Wert gezwungen. Während sie es 1909 für ca. 80.000 Reichsmark erstanden hatte, musste sie es nun für rund 12.000 Reichsmark verkaufen. Im Rahmen der Aberkennung der Staatsangehörigkeit wurde dem Arzt auch der Zugang zu seinen Wertpapieren in Höhe von ca. 20.700 Reichsmark, angelegt bei der Commerz- und Privatbank, verwehrt.

Nachfolgend emigrierten Richard Zuelzer und seine Frau Martha nach Großbritannien zu ihrer bereits nach London geflüchteten Tochter und entgingen so den grausamsten Verbrechen des Nationalsozialismus. Die Zwangsausreise, an der sich die Nationalsozialisten auch noch bereicherten, indem sie 1934 die Vorschriften über die Reichsfluchtsteuer verschärften (ein Viertel des Gesamtvermögens muss in fast allen Fällen abgegeben werden), kostete die Familie Zuelzer zusätzlich 25.797,75 Reichsmark und konnte nur durch das noch vorhandene Vermögen von 103.191 Reichsmark finanziert werden. Richard Zuelzer kehrte nie wieder in sein Heimatland zurück und verstarb 1950 in London.

Bis 1948 gab es keine Klärung des Eigentumes, weil das Grundstück nach Kriegsende in den Besitz der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands überging. Trotz Antragstellung seitens der Tochter Erna konnte das Haus nicht zurückerlangt werden.

Die Gedenktafel dient zur Erinnerung an einen großartigen Mann und Pionier der Wissenschaft, dessen Lebenswerk durch die Praktizierung rassistischer und keinesfalls zu tolerierender Ideologien zerstört wurde. „Edel sei der Mensch, hilfreich und gut.“ So sagte es Goethe, so steht es auf seiner Gedenktafel und so war Richard Zuelzer.

Literatur und Quelle:

Kurt Baller / Siegfried Lück: Gedenktafeln, -steine und Stelen in Potsdam, Barleben 2016, S. 393f.

Auskunft Dr. Wolfgang Weißleder, vom 3. April 2019.

Autorinnen: Liv Krönes und Katharina Pregla

Beitragsbild: Katharina Pregla