Lokomotiv-Werk Orenstein & Koppel

Tim Stutz

Das von Benno Orenstein und Arthur Koppel in Auftrag gegebene Lokomotiv-Werk wurde auf einem ungenutzten Gelände südlich der Großbeerenstraße im damaligen Ort Neuendorf am Bahnhof Drewitz erbaut. Es stellt einen bedeutenden Teil der Entwicklung des Industriegebietes in Nowawes und damit Potsdamer Geschichte dar.

Am 1. April 1899 begann im „Zirkus“, einem Rundbau, und in zwei Produktionshallen die Herstellung von Lokomotiven. Im Zeitalter der industriellen Revolution wurden sie für schnellen Warentransport gebraucht, vor allem für landwirtschaftliche Produkte, militärische Zwecke und im Personenverkehr. Das Werk mit seinen anfänglich 425 Arbeitern stellte vorerst Feldeisenbahnen für militärische Transporte her. Seine Errichtung trug zum endgültigen Niedergang des traditionellen Manufakturwesens im Textilgewerbe bei, das Mitte des 18. Jahrhundert in Nowawes entstanden war.

Die Entstehung dieser Lokomotiv-Fabrik verweist außerdem auf eine gelungene Integration der Juden in die Gesellschaft. Denn die beiden jüdischen Unternehmer Benno Orenstein und Arthur Koppel brachen mit gängigen Vorurteilen und dem typischen Bild, das in vielen Köpfen der christlichen Mehrheit über Juden herrschte. Nachdem sie am 1. April 1876 die „Orenstein & Koppel OHG“ in Berlin gegründet hatten, konnten sie durch eine kluge und erfolgreiche Geschäftspolitik viele von ihren Fähigkeiten überzeugen. In zahlreichen deutschen und europäischen Städten entstanden Filialen und Fabriken, ihre Lokomotiven und Zubehör wurde weltweit exportiert.

Allerdings benannte sich die Firma vor dem Produktionsstart in Nowawes um und nahm den Namen AG für Feld- und Kleinbahnen-Bedarf, vormals Orenstein & Koppel an. Beide Unternehmer hatten sich nämlich 1885 getrennt, um an unterschiedlichen Projekten zu arbeiten. Während Orenstein 1892 mit der Produktion von Feldbahnlokomotiven in Berlin-Schlachtensee begann, widmete sich Koppel unter dem Namen „Arthur Koppel AG“ den Auslandsgeschäften der „Orenstein & Koppel OHG“ und stellte 1896 elektrische Lokomotiven her. Dieses Teilgeschäft endete 1908 mit dem Tod von Arthur Koppel. Benno Orenstein integrierte die AG seines verstorbenen Geschäftspartners in das Unternehmen, das nun den Namen „Orenstein & Koppel – Arthur Koppel AG“ trug. Die Lokomotiven-Produktion wurde aber nicht eingestellt. Im Jahr 1913 arbeiteten allein in Nowawes bereits 1.500 Arbeiter und die 5.000. Lokomotive lief vom Band. 1930, vier Jahre nach Benno Orensteins Tod stellte die Firma unter Führung seines Sohnes und Nachfolgers Alfred Orenstein die Produktion von Dampf- auf Motorlokomotiven um.

Die Machtübernahme der Nationalsozialisten brachte Orenstein & Koppel viele neue Aufträge. Das Werk in Nowawes lieferte 1934 die 12.000. Dampflokomotive aus. Weil die Eigentümer aber Juden waren und aus der Wirtschaft gedrängt werden sollten, wurde das Unternehmen 1935 zwangsenteignet und unter treuhänderische Verwaltung gestellt. Alfred Orenstein emigrierte daraufhin nach Südafrika. Aufgrund des Zusammenschlusses von Nowawes, Neubabelsberg und Klein-Glienicke zur Stadt Babelsberg firmierte das Lokomotiv-Werk in Nowawes ab 1938 als „Orenstein & Koppel Werk Babelsberg“. Zu Beginn des Jahres 1940 wurden die Namen der jüdischen Firmengründer getilgt. Trotzdem enthielt der zu „Maschinenbau- und Bahnbedarfs AG“ (MBA) geänderte Firmennamen zunächst noch den Zusatz „vormals Orenstein & Koppel“.

Das Werk in Babelsberg überstand die Bombenangriffe des 2. Weltkrieges, dennoch wurden hier vorerst keine Lokomotiven hergestellt. Doch schon im Juli 1945 produzierte man hier wieder und am 30. April 1947 verließ die erste Nachkriegslokomotive die Fabrikhallen. Bereits am 2. Juli 1946 hatte das volkseigene Werk seinen Namen „Lokomotivfabrik Orenstein & Koppel Babelsberg“ zurück erhalten. Schon zwei Jahre später, am 18. März 1948 kam es zur erneuten Umbenennung des Betriebes. Im „VEB Lokomotivbau Karl Marx Babelsberg“ baute man bis 1976 Dampf- und Diesellokomotiven. In den darauffolgenden Jahren wurde auf die Produktion von Luft- und Kältetechnik umgestellt. 1992 schloss der Betrieb und die Produktionshallen verfielen.

Nach einer langjährigen Zwischennutzung des Standortes durch die Filmstudio Babelsberg AG soll in den kommenden Jahren eine denkmalgerechte Sanierung des „Zirkus“ erfolgen, um hier ein Hotel zu betreiben und sich Firmen der IT- und Medienbranche ansiedeln können.

Literatur:

Alfred Gottwald: Benno Orenstein. Ein jüdischer Lokomotivbauer, Berlin 2015.

Henri Kramer: Lok-Zirkus wird zum „Paradome“, in: Potsdamer Neueste Nachrichten vom 12.10.2016.

Erik Wenk: Millionenvision für Lok-Zirkus, in: Ebd. vom 29.06.2017.

Internet:

Orenstein und Koppel-Veikkos-Archiv, in: http://www.veikkos-archiv.com/index.php?title=Orenstein_%26_Koppel (01.03.2019)

Jens Merte: Orenstein und Koppel-Werkbahnen, in: http://www.werkbahn.de/eisenbahn/lokbau/oundk.htm (18.03.2019)

Beitragsbild (kurzer Text): Tim Stutz

Beitragsbild: Montagehalle bei Orenstein & Koppel (01.04.1930) Foto: Unbekannt (C) Potsdam Museum – Forum für Kunst und Geschichte