Kaufhaus Magda Hirsch

Leo v. Lobenstein, Johann Schramm

Ursprünglich befand sich das Potsdamer Warenhaus M. Hirsch nur in einem Gebäude der Brandenburgerstr. 31. Seine erste Inhaberin war laut Handelsregister des königlichen Amtsgerichts Potsdams Magda Hirsch (geb. Schwarz), die das Geschäft seit dem 22. Juni 1880 leitete. 1887 übertrug sie das Warenhaus auf ihren Sohn Isidor Hirsch, das der Kaufmann und Gesellschafter Willy Wolff 1895 als Alleininhaber übernahm. Einer Bekanntmachung des 21. Septembers 1897 zufolge wurde der Firma M. Hirsch der Kaufmann Julius Rubinski als Prokurist, also als Vertreter und Bevollmächtigter des Geschäftsführers, zugeteilt. Alle Genannten gehörten der Jüdischen Gemeinde Potsdam an. Mit der Eröffnung des Warenhauses M. Hirsch entwickelte sich die Straße schließlich zur wichtigsten Einkaufsstraße Potsdams.

Vier Jahre später investierte die aus Hamburg stammende Handelsgesellschaft „M.J. Emden Söhne“ in das Kaufhaus mit einer Summe von 200.000 Mark (heute rund 25.000 Euro) und setzte Julius Rubinski als Geschäftsführer ein. Aus vielen Anträgen für kleine bauliche Veränderungen lässt sich schließen, dass Anfang des 20. Jahrhunderts der Bedarf des Warenhauses M. Hirsch nach mehr Verkaufsfläche stetig zunahm. Die darauf folgenden Umbau- und Erweiterungsarbeiten gaben ihm die noch heute erkennbare bauliche Gestalt.

Das Warenhaus bestand in den zwanziger Jahren aus drei Etagen. Augenzeugin Frau Lehmann berichtete von den einzelnen Abteilungen wie folgt: „Gleich in der Nähe des Eingangs konnte man Papierwaren (Karten, Bilder) und Kurzwaren (Knöpfe, Stopftwist, Nähgarn) kaufen. Hinter der Papierwarenabteilung befand sich die Wäscheabteilung mit Damenunterwäsche, dicken und angerauten Trikotröcken sowie langer Unterwäsche. Hier war auch Bettwäsche erhältlich, die allerdings als Meterware verkauft wurde und zu Hause fertig genäht werden musste. Im Erdgeschoss gab es die Herrenkonfektion – Hüte, Schlipse und Hemden. In dieser Abteilung konnte man auch Seifen, Parfümes und Hautcremes kaufen. An der Seite befand sich die Stoffabteilung. Wunderbare Damen- und Herrenstoffe wurden hier als Meterware angeboten. Eine sehr kleine Süßwarenabteilung befand sich dicht am Fahrstuhl. Hinzu kam Anfang der dreißiger Jahre eine Kaffeestube, die sich bei den Potsdamer Kindern großer Beliebtheit erfreute.“ Die erste Etage war besonders für Kleider, Decken, Gardinen und Teppiche angelegt. In der zweiten und obersten befanden sich hauptsächlich Ausstattungen für Küchen und Esszimmer sowie Luxusartikel.

Mit der Machtübernahme Hitlers wurde der steigende Antisemitismus zum Alltag. Bereits 1933 mussten die ersten jüdischen Geschäfte und Läden schliessen. Der Potsdamer Tageszeitung vom 18. April 1933 kann man entnehmen, dass auf Veranlassung der NSDAP (Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei) alle „nicht arischen“ Angestellten des Warenhauses Hirsch fristlos entlassen werden sollten. Mit der „Verordnung über den Einsatz des jüdischen Vermögens“ vom 3. Dezember 1938 erreichte die Ausschaltung der Juden aus dem Wirtschaftsleben Deutschlands einen neuen Höhepunkt. Das bedeutete die Enteignung, also Arisierung von jüdischen Geschäften und Betrieben zugunsten von Mitgliedern und Unterstützern der NSDAP. Sie raubten nicht nur jüdisches Eigentum, sondern bereicherten sich daran auch noch. Auf Grundlage dieses Gesetzes wurde das Potsdamer Kaufhaus M. Hirsch zwangsverkauft, und zwar am 15.11.1938 an das NSDAP-Mitglied Alois Mainka. Noch kurz zuvor berichteten Augenzeugen, wie SS- und SA-Männer vermehrt auf der Brandenburger Straße zu sehen waren und vor dem Kaufhaus Hirsch Kunden angepöbelt haben sollen und riefen, dass man bei Juden nicht einkaufen solle.

Nach Ende des Krieges wurde Alois Mainka durch die Sowjetische Militäradministration (SMAD) enteignet. Das Kaufhaus eröffnete bereits Ende 1945 und stand kurz darauf auch der Potsdamer Bevölkerung wieder zur Verfügung. 1990 stellten die Nachfahren des 1945 Enteigneten einen Antrag auf Rückübertragung des Kaufhauses M. Hirsch. Das hierfür zuständige Gericht wies diesen Antrag allerdings ab.

Nach jahrelangem Leerstand beherbergt das Gebäude in der Brandenburger Str. 30 heute ein Sport-Kaufhaus und im Dachgeschoss ein Restaurant.

Literatur:

Julia Baumhauer: Die kleine Geschichte des Warenhauses Hirsch, hrsg. v. Heinrich-Böll-Stiftung, Potsdam 2011.

Beitragsbild: Johann Schramm