Interview mit Nathanael Riemer, Junior-Professor für Jüdische Studien mit dem Schwerpunkt Interreligiöse Begegnungen am Institut für Jüdische Studien und Religionswissenschaft

Haben Sie einen persönlichen Bezug zum Judentum und wie sind Sie auf die Jüdischen Studien gekommen?

Alles, was ich in meinem Leben mache, habe ich aus Neugierde begonnen. Ich laufe durch die Welt, wundere mich über Dinge und möchte die entstehenden Fragen für mich beantworten. Und das war auch der Grund, warum ich zur Universität gegangen bin. Diese Neugierde begleitete mich durch das Studium und bestimmt auch meine Arbeit. Ich hätte auch was ganz anderes studieren können und wollen, wenn einige Dinge in meinem Leben anders verlaufen wären.

Welche Aufgabenfelder bedienen Sie?

Die Aufgabe eines Professors besteht in erster Linie in Forschung und Lehre. Dann gibt es natürlich bürokratische Dinge, die z.B. darin bestehen, an der Organisation des Institutes mitzuwirken, Gelder einzuwerben und zu verwalten, etc. Man muss also heute eher Manager denn Wissenschaftler sein. Zur Lehre gehört natürlich auch, dass man Studierende bei Abschlussarbeiten betreuen muss, ansprechbar ist, wenn dort Probleme entstehen und sich generell um die Studierenden kümmert.

Welche Ziele oder Projekte haben oder planen Sie denn für jetzt und die Zukunft?

Diese Frage ist etwas schwierig zu beantworten, denn meine Professur ist von Anfang an auf drei plus drei Jahre begrenzt und läuft eigentlich dieses Jahr aus. Darum kann ich die nahe Zukunft noch nicht ganz planen. Momentan setze ich mich mit materiellen Kulturen des Judentums auseinander, wie zum Beispiel Hochzeitssteine und jüdische Hausinschriften oder ähnliches. Ich habe ungefähr 50 Hausinschriften mit hebräischen Schriftzeichen entdeckt, die ich erstmalig auswerten möchte. Zurzeit untersuche ich verschiedene Objektgruppen, zu denen noch keine systematischen Forschungen vorliegen. Am Ende sollen die Beiträge über die verschiedenen Objektgruppen zu einem Buch zusammengefasst werden. Das ist das Eine. Das andere, um das mich meine Studenten gebeten hatten, besteht in der Auseinandersetzung mit religiösen Motiven und ethischen Dilemmata in Videospielen. Das ist ein sehr spannendes Thema, mit dem ich bei den Studierenden sehr gut ankomme.

Wie können Potsdamer*innen Ihr Wirken bemerken?

Ich denke, dass die Universität über das Referat für Öffentlichkeitsarbeit Anliegen und Informationen in die Öffentlichkeit tragen. Individuell gesehen muss ich sagen, dass der Einfluss auf die Bevölkerung sehr gering ist.

Warum gibt es die Jüdischen Studien und warum sind sie wichtig?

Ich habe ein Idealbild einer Universität. Eine Universität sollte möglichst viele Fachbereiche abdecken und Gelegenheiten für den Wissenserwerb anbieten. Ich halte eigentlich jedes Fach für wichtig, so auch die Jüdischen Studien. An der Universität Potsdam vermisse ich jedoch noch archäologische Fächer, Islamwissenschaft und China Studies.

Haben Sie Erfahrungen mit Antisemitismus gemacht?

Mir wurde in Tübingen mal von Neo-Nazis eine Pistole vor den Kopf gehalten, da ich wahrscheinlich für einen Punk gehalten wurde. Bei den Angreifern kamen natürlich Alkoholeinfluss und andere Gründe hinzu. Bei solchen Dingen sehe ich mich ungern in der Opferrolle, sondern frage mich, wie ich mich davor schützen kann. Diese Einstellung hat wohl viel mit dieser Erfahrung zu tun.