„Jüdisches Altersheim“

Justus Heinz Schneider

In der heutigen Spitzweggasse 1, der ehemaligen Bergstraße 1, in Potsdam-Babelsberg befand sich eine Villa, die zusammen mit einem kleinen Park zunächst dem jüdischen Arzt Karl Heidmann gehörte. Nach der Emigration der Nachfolger wurde die Villa zwangsverwaltet und im April 1940 durch die als Zwangsorganisation entstandene Reichsvereinigung der Juden in Deutschland angemietet. Genutzt werden sollte das Haus als jüdisches Siechen- und Altenheim. Es handelt sich jedoch um ein Sammellager für ältere und kranke Juden, denen inzwischen sämtliche Bürgerrechte entzogen worden waren. Von dort aus wurden sie über Berlin ins Ghetto Riga, ins Konzentrationslager Theresienstadt aber auch ins Vernichtungslager Ausschwitz deportiert.

In der Bergstraße 1 lebten Juden aus Potsdam und Umgebung, die ursprünglich aus vielen anderen Orten Deutschlands stammten. Eine erhalten gebliebene Liste aus dem Jahr 1941 nennt 41 Namen jüdischer Personen. Die meisten besaßen die deutsche Staatsangehörigkeit und einige hatten Familien in Deutschland. Trotzdem wurden sie einfach abtransportiert, damit auch Potsdam „judenrein“ werden würde. Dies geschah am sehr kalten 16. Januar 1943: zu den 63 Potsdamer Juden, die mit einem LKW in die Hauptstadt gebracht wurden, zählten auch die letzten Bewohner des „jüdischen Altersheims“.

Die Villa wurde nach Abschluss der Deportationen durch die Gestapo geräumt und in eine SS-Dienststelle umgewandelt. Nach 1945 zerfiel sie zusehends und wurde in den 1970er Jahren wegen Baufälligkeit abgerissen. Nichts erinnerte mehr an die Geschichte dieses Grundstücks.

Am 27. Januar 1998, dem Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocausts, wurde an diesem Ort schließlich ein Gedenkstein enthüllt. Es ist ein Findling aus der Eiszeit, auf dem eine Gedenkplatte aus Bronze angebracht ist. Hergestellt wurde dieses Denkmal aufgrund einer Initiative von Schülern des Potsdamer Espengrund-Gymnasiums. Während ihrer Recherchen im Rahmen eines Projektes „jüdische Spurensuche“ wurden sie auf das Altersheim aufmerksam und setzten sich fortan für die Aufstellung des Gedenksteins ein. Zu diesem Zeitpunkt war es das einzige Denkmal im Land Brandenburg, das an eine Sammelstelle für die Deportation jüdischer Menschen erinnerte. Auf der Tafel steht folgendes in goldener Schrift geschrieben:

„Auf diesem Gelände befanden sich Villa und Park des Grundstücks Bergstraße 1. Im April 1940 wurde hier ein jüdisches Siechen- und Altenheim eingerichtet, eine Sammelstelle alter jüdischer Menschen in Potsdam. Am 16. Januar 1943 wurde das Heim durch die GESTAPO geräumt und die letzten in Potsdam lebenden Juden in Vernichtungslager deportiert.“

Foto: Justus Heinz Schneider

Literatur:

Kurt Baller / Siegfried Lück: Gedenktafeln, -steine und Stelen in Potsdam, Barleben 2016, S. 21f.

Förderkreis Böhmisches Dorf Nowawes und Neuendorf e. V. (Hrsg.), in Redaktion von Almuth Püschel: Neuendorf – Nowawes – Babelsberg. Stationen eines Stadtteils, Horb am Neckar 2000.

Internet:

Georg-Mandelheim-Oberstufenzentrum: Das Jüdische Siechen- und Altenheim in Potsdam-Babelsberg, in: http://www.gmosz.de/hf/zeitstrahl/siechenheim.html (04.04.2019)

Quelle:

BLHA, Rep 35 A, Nr. 13.

Beitragsbild: Justus Heinz Schneider